Archiv des Atlas der deutschen Volkskunde (ADV)
Ab den 1930er Jahren erfolgte die kartographische Auswertung der Antworten, zwischen 1937 und 1939 wurden erste Ergebnisse publiziert. Der Schritt von einer nationalen zu einer nationalistischen Wissenschaftsströmung erscheint unter den folgenden Gegebenheiten nicht sehr weit: Nach der Gleichschaltung zwischen 1933 und 1934 aufgrund der NS-Diktatur – anhand von einzelnen Fragenkomplexen abzulesen – wurde das Projekt 1938 vom SS-Ahnenerbe übernommen. Bedingt durch die Entwicklungen des Zweiten Weltkriegs wurde die Zentralstelle 1939 nach Frankfurt am Main verlegt. Nach dem Krieg, ab 1954, regte die DFG ihre Neueinrichtung unter der Leitung von Matthias Zender an der Universität Bonn an, wodurch das gesamte Archivmaterial (unter anderem mehr als vier Millionen Antwortkarten) von Frankfurt nach Bonn verlegt wurde. Zender ließ zwischen 1965 und 1970 drei weitere Fragebögen „zur bäuerlichen Lebenswelt um 1900“ verschicken und auswerten. Deren Ergebnisse gab er samt Karten selbst heraus, ebenso wie neue Folgen mit Auswertungen zu den Umfragen der Zwischenkriegszeit. 1984 stellte die DFG die Förderung des ADV-Projekts ein und begründete dies damit, dass ein Teil des erhobenen Datenmaterials unbearbeitet blieb. Sicherlich spielte aber auch die Tabuisierung des Themas „Raum“ innerhalb der „von ideologiekritischen Auseinandersetzungen begleiteten Reformierung der Volkskunde zu einer Wissenschaft moderner Gegenwartskultur“ (Schmoll 2009: 235) eine Rolle.
Die Geschichte des ADV ist eng verknüpft mit der Biographie Zenders, des späteren Leiters des Volkskundlichen Seminars (heute Abteilung für Kulturanthropologie) der Universität Bonn. Noch heute befindet sich das Zentralarchiv des ADV in den Räumlichkeiten der Abteilung.
Detaillierte Informationen zu den hier dargestellten Inhalten sind in folgenden Beiträgen enthalten:
Aubin, Hermann; Theodor Frings und Josef Müller (1926): Kulturströmungen und Kulturprovinzen in den Rheinlanden, Bonn: Röhrscheid.
Döring, Alois (o.J.): „Matthias Zender“, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter:
Groschwitz, Helmut (2014): „Rewriting Atlas der deutschen Volkskunde postcolonial“, in: Hoffmann, Beatrix und Steffen Mayer (Hg.): Objekt, Bild und Performance. Repräsentationen ethnographischen Wissens (Berliner Blätter 67), Berlin: Panama-Verlag, S. 29-40.
Mattheier, Klaus J. (1986): „Dialectologie und Kulturraumforschung. Bemerkungen zu den kulturräumlichen Traditionen moderner Dialektsoziologie“, in: Brekle, Herbert und Utz Maas (Hg.): Sprachwissenschaft und Volkskunde, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 103-107.
Peßler, Wilhelm (1931): Deutsche Volkstumsgeographie, Braunschweig, Berlin, Hamburg: G. Westermann.
Schmoll, Friedemann (2009): Die Vermessung der Kultur. Der Atlas der Volkskunde und die Deutsche Forschungsgemeinschaft 1928-1980 (Studien zur Geschichte der Deutschen Forschungsgemeinschaft 5). Stuttgart: Franz Steiner Verlag.
Wiegelmann, Günter und Joan L. Cotter (1986): „The Atlas der deutschen Volkskunde and the Geographical Research Method“, in: Journal of the Folklore Institute 5/2-3, S. 187-197.
Archivbestand
- Antwortkarten der Hauptbefragung von 1929 bis 1935 (circa 4 Millionen Karteikarten)
- Zusatzeinsendungen zur Hauptbefragung
- Kartenmaterial (kommentiert und unkommentiert)
- Antworten der Zusatzbefragung zur „Bäuerlichen Lebenswelt um 1900“ von 1965 bis 1970
- Blanko-Fragebögen samt Erklärungsbögen
- Unterlagen des späteren Leiters und früheren Mitarbeiters Prof. Dr. Matthias Zender in den Räumen samt Zusatzmaterial
- Unterlagen zu Mitarbeiter*innen und Gewährsleuten (nicht einsehbar)
- Der Nachlass von Matthias Zender befindet sich gesondert im Archiv der Universität Bonn (Anfragen an: [Email protection active, please enable JavaScript.])
Archivzugang
Derzeit ist eine regelmäßige und zügige Bearbeitung von Anfragen zum Atlas der deutschen Volkskunde aufgrund der Personalstruktur in der Abteilung Kulturanthropologie leider nur sehr eingeschränkt möglich.
Eine Recherche kann weitergehend nur dann erfolgen, wenn die Anwesenheit von Mitarbeitenden gewährleistet ist und eine vorherige Absprache mit dem Personal über folgende E-Mail-Adresse getroffen wurde: BibKA [at] uni-bonn.de